Tag 1: Bergen – Das Tor zu den Fjorden
Es war ein frischer, klarer Morgen in Bergen, als ich die Stadt zum ersten Mal erblickte. Der Geruch von Meerwasser lag in der Luft, durchmischt mit dem Duft von frischem Kaffee und den Geräuschen des geschäftigen Hafens. Bergen, bekannt als das „Tor zu den Fjorden“, würde der Startpunkt meines großen Abenteuers mit Hurtigruten sein – eine Reise, die als die schönste Seereise der Welt gilt.
Schon beim Verlassen des Flughafens fiel mir auf, wie die Stadt zwischen den sieben Bergen wie ein Edelstein an der rauen norwegischen Küste liegt. Die dichte Wolkendecke und die feuchte Luft gaben der Stadt ein mystisches Gefühl, als ob sie ein Geheimnis bewahren würde, das nur diejenigen entdecken dürfen, die bereit sind, sich darauf einzulassen. Für mich begann hier nicht nur eine Seereise, sondern auch eine Reise zu mir selbst, durch atemberaubende Landschaften und faszinierende Kultur.
Als ich zum Hafen ging, um mein Schiff zu finden, konnte ich es kaum erwarten, das berühmte Viertel Bryggen zu erkunden. Die farbenfrohen Holzhäuser, die sich entlang der Hafenpromenade aneinanderreihten, wirkten fast wie aus einer anderen Zeit. Man spürte förmlich die Geschichte der Hanse, die über Jahrhunderte den Handel in dieser Region dominierte. Es war schwer, sich vorzustellen, dass diese Gebäude, die jetzt Souvenirläden und kleine Cafés beherbergten, einst das Zentrum des Handelslebens in ganz Nordeuropa gewesen waren.
Trotz der Schönheit und Geschichte Bergens, spürte ich die leichte Unruhe in mir. Es war die Vorfreude auf das Unbekannte, das mich erwartete. Die lange Reise mit dem Postschiff, die mich entlang der rauen Küsten Norwegens führen würde, zu Städten und Dörfern, die nur über das Meer erreichbar sind, ließ mein Herz schneller schlagen. Ich wusste, dass dies keine gewöhnliche Kreuzfahrt war. Es war eine Fahrt, die jeden Tag neue Wunder versprach – von den majestätischen Fjorden bis zu den Polarlichtern, die weit über dem Polarkreis in den kalten Winternächten tanzen.
Der erste Schritt an Bord meines Hurtigruten-Schiffes war überwältigend. Der salzige Duft des Meeres verstärkte sich, als ich über das Deck ging und meine Kabine betrat. Alles wirkte so einladend – nicht luxuriös im klassischen Sinne, sondern warm und funktional. Das Postschiff hatte einen ganz eigenen Charme, fernab der überladenen Kreuzfahrtschiffe. Hier ging es nicht um Glanz und Glamour, sondern um Authentizität. Ich wusste, dass dieses Schiff ein Teil der norwegischen Küstenkultur war, eine Verbindungslinie für Menschen und Fracht, die seit über einem Jahrhundert täglich die abgelegenen Orte des Nordens bedient.
Die ersten Stunden in Bergen verbrachte ich damit, die Stadt zu erkunden und ihre vielen Facetten zu entdecken. Es gibt kaum einen besseren Weg, die Schönheit der Stadt zu erleben, als den Fløyen-Berg hinaufzufahren. Mit der Standseilbahn erreichte ich schnell den Gipfel, und die Aussicht, die sich vor mir ausbreitete, raubte mir den Atem. Tief unter mir lag die Stadt, eingehüllt in Wolkenfetzen, und die Fjorde erstreckten sich endlos in die Ferne. Es war ein Vorgeschmack auf das, was mich in den nächsten Tagen erwarten würde.
Zurück in der Stadt, nahm ich mir die Zeit, durch die schmalen Gassen hinter Bryggen zu schlendern. Hier, abseits der Touristenströme, fand ich kleine Kunsthandwerksläden und gemütliche Cafés, in denen die Einheimischen ihren Alltag genossen. Es war faszinierend zu sehen, wie das alte und das neue Bergen miteinander verschmolzen. Die Menschen hier wirkten ruhig und zufrieden, als ob sie sich im Rhythmus des Meeres eingerichtet hätten.
Am Nachmittag besuchte ich das Hanseatische Museum, das mir einen noch tieferen Einblick in die Vergangenheit der Stadt gab. Ich erfuhr, wie die Hansekaufleute hier lebten und arbeiteten, fernab ihrer Heimat, in dieser damals abgelegenen Stadt am Rande Europas. Die engen, dunklen Räume und die knarrenden Holzfußböden erzählten von harter Arbeit, aber auch von der Faszination des Handels über weite Meere hinweg.
Mit jedem Schritt in Bergen spürte ich die tiefe Verbindung dieser Stadt zum Meer. Alles hier drehte sich um das Wasser, um die Boote, die kamen und gingen, und um die unendlichen Weiten der Fjorde, die nur darauf warteten, erkundet zu werden. Es war kein Wunder, dass Hurtigruten hier seinen Ausgangspunkt hatte. Die Postschiffe sind seit über 125 Jahren ein Lebensnerv für die Küstengemeinden Norwegens, und Bergen war das Herzstück dieses Netzes.
Als der Abend näher rückte, und das Licht der untergehenden Sonne die Wolken in ein warmes Orange tauchte, machte ich mich bereit, an Bord zu gehen. Die Vorfreude hatte sich in den letzten Stunden immer weiter aufgebaut. Ich wusste, dass ich in den nächsten Tagen die Schönheit Norwegens auf eine Weise erleben würde, die nur wenigen Reisenden vergönnt war. Mit jeder Station, die wir ansteuerten, würde ich tiefer in die Seele dieses Landes eintauchen – von der kargen Wildnis der Lofoten bis hin zu den arktischen Wundern des Nordkaps.
Als das Schiff sanft ablegte und sich von der Pier in Bergen entfernte, sah ich noch einmal auf die Stadt zurück. Die Lichter von Bryggen schimmerten im Abendlicht, und ich fühlte eine tiefe Dankbarkeit, diese Reise beginnen zu dürfen. Vor mir lag das Unbekannte, das Abenteuer, und eine Reise, die mich für immer prägen würde.
Mit einem Lächeln auf den Lippen trat ich auf das Deck hinaus, spürte den Wind in meinen Haaren und den salzigen Geschmack des Meeres auf meinen Lippen. Die Hurtigruten-Reise hatte begonnen, und ich war bereit, jeden Moment dieses unvergesslichen Abenteuers festzuhalten.
Die Stadt Bergen verschwand langsam hinter dem Schiff, und das weite offene Meer begrüßte uns mit einer frischen Brise. Ich lehnte mich ans Geländer, spürte die Bewegung des Schiffes unter mir und dachte darüber nach, was in den nächsten Tagen auf mich zukommen würde. Die Route versprach Wunder, die ich bisher nur in Reiseberichten und Dokumentationen gesehen hatte – schroffe Felsen, dramatische Fjorde und eine ungezähmte Natur, die mit jedem neuen Anlegestopp immer näher an uns heranrücken würde.
Während die erste Nacht an Bord begann, fühlte ich mich seltsam beruhigt von dem sanften Wiegen des Schiffes. Das leise Summen der Motoren war fast meditativ, und ich war überrascht, wie schnell ich mich auf das Leben auf dem Wasser einstellte. Es war eine angenehme Routine, die sich in die Tage einfügen würde: Aufwachen, während die Küste sich im Morgengrauen zeigt, Frühstücken mit der weiten See als Kulisse und dann das Abenteuer, jeden Hafen mit seinen Besonderheiten zu erkunden.
Am nächsten Morgen stand der erste Stopp auf dem Programm: Florø. Der erste Eindruck von Florø war die Ruhe. Kein Trubel, keine Hektik – nur die Stille eines kleinen Küstendorfs, das seine eigene, langsame Zeitrechnung zu haben schien. Ich ging von Bord und spürte sofort den Kontrast zur Geschäftigkeit von Bergen. Die Luft war noch kühler, fast klarer, und ich konnte den Geruch des Meeres und der frischen Kiefern von den umliegenden Wäldern spüren.
Florø ist Norwegens westlichste Stadt und von der Fischerei geprägt. Die Stadt wirkte klein, fast verschlafen, aber es lag eine angenehme Einfachheit in der Art und Weise, wie das Leben hier verlief. Kein Stress, kein Lärm, nur das rhythmische Kommen und Gehen der Fischerboote, die ihren Fang zurückbrachten. Das Meer bestimmte hier den Takt, und ich konnte spüren, wie eng die Menschen mit der Natur verbunden waren.
Nach einem kurzen Spaziergang durch die Stadt führte mich mein Weg zu einer Anhöhe, von der aus man einen herrlichen Blick auf die umliegenden Inseln hatte. Die schroffe Landschaft, die tiefblauen Gewässer und die vereinzelten Boote, die wie kleine Punkte auf dem Wasser wirkten, vermittelten ein Gefühl von Freiheit und Weite. Ich atmete tief durch und ließ den Moment auf mich wirken.
Zurück an Bord bereitete ich mich auf die nächsten Stopps vor, denn die Schönheit Norwegens lag nicht nur in den größeren Städten wie Bergen oder Ålesund, sondern in den kleinen, versteckten Orten, die wir entlang der Route ansteuerten. Jeder dieser Orte hatte seine eigene Geschichte, sein eigenes Flair, und ich freute mich darauf, sie alle kennenzulernen.
Es war schwer zu glauben, dass dies erst der Anfang war. Vor mir lagen noch Tage voller neuer Eindrücke, Begegnungen und Erfahrungen. Das Meer würde mich weiter tragen, von einem Wunder zum nächsten, und ich war bereit, jedes davon in meinem maritimen Tagebuch festzuhalten.